Diskussion um kontroverse Standpunkte und Impulsgeber im Frankfurter Gallus Theater
Ein spannendes, hochaktuelles und zugleich sensibles Thema, das große Kreise zieht, wurde am 6. Juni 2016 im Frankfurter Gallus Theater von den Referenten und Teilnehmern kontrovers diskutiert: Brauchen wir Regelwerke wie Compliance-Richtlinien und „Code of Conducts“, um uns richtig zu verhalten und zu handeln oder reicht als Orientierung für korrektes Handeln das heutige moralische Wertesystem noch aus?

Die Protagonisten und Referenten des Diskurses waren Dr. Helmut Geiselhart, Managementtrainer / Psychoanalytiker / Philosoph der Geiselhart Seminare, Gengenbach / Paris und Dr. Martin Schmidt, Rechtsanwalt / Senior Counsel der Deutsche Bahn AG, Berlin sowie Matthias Hirzel, HLP Hirzel & Partner, und Gerd Söpper, HLP Soepper, die in das Thema einführten. Moderiert wurde der Diskurs von Herbert Zub, Leiter Finance & Risk der Soka-Bau, Wiesbaden.
Die gegensätzlichen Thesen wurden anhand von Leitsätzen pointiert: Dr. Geiselhart postulierte: „Moral ist unbestechliche Werthaltung und gibt den Maßstab für einwandfreies Verhalten; Compliance-Regeln gelten nur für den, der sie akzeptiert und sich daran hält!“ Die Grundlage dieser Aussage bildet, wie er meint, die Gesellschaft, die sich durch Werte, Regeln und Normen unterscheidet und die Identität, Zugehörigkeit und Sinn bietet. Er führt weiter aus, dass wir in einer Zeit leben, die das „Ende der großen Metaerzählungen“ erfährt. Wir verfügen nicht mehr über ein Modell der Welterklärung mit festen Werten, die Zugehörigkeit zu einer Kultur schwindet, Perspektivlosigkeit nimmt zu und dadurch droht die Gefahr des Sinnverlusts. Deshalb versucht man sich Orientierung von außen zu holen. Doch jeder sollte am gesamtgesellschaftlichen Diskurs teilnehmen und Einfluss auf die Codes der einzelnen Funktionen wie der Wirtschaft nehmen. Hier besteht Spielraum und Gestaltungsmacht für moralisches Handeln. Entscheidende Faktoren sind dabei Transparenz, Berücksichtigung aller Ansichten und Gefühle, sowie Authentizität und die Qualität des besseren Arguments. Dr. Geiselhart resümiert: „Die These von der funktional-differenzierten Gesellschaft definiert den Handlungsspielraum und Beiträge aus Philosophie, Psychologie und Theologie bieten Anregungen für moralisches Handeln.“
Dr. Schmidt hielt dagegen: „Compliance ist ein konkreter Maßstab, an dem sich alle gleichermaßen orientieren sollten; Moral ist subjektiv und öffnet Tür und Tor für Willkür!“ In seiner Ausführung standen zwei Aspekte im Fokus: die Leitplanken-Funktion, die Compliance im Unternehmensalltag übernehmen kann und sollte sowie das Risikomanagement. Er stellt heraus, dass Compliance der Maßstab des Handels im geschäftlichen Umfeld ist und dem einzelnen Mitarbeiter Handlungssicherheit in Situationen geben soll, in denen das richtige Verhalten schwer zu bestimmen ist. Er führt weiter aus, dass die moralischen Vorstellungen des Einzelnen nicht ausreichen, um richtig zu handeln, denn was der eine für richtig hält, hält der andere für falsch. Die Rahmenbedingungen für richtiges Handeln geben zuallererst Recht und Gesetzt vor, gefolgt von den Unternehmensinteressen, die in Leitlinien oder einem Code of Conduct festgehalten werden und definieren, wie gesetzliche Spielräume ausgefüllt werden sollen. Erst danach, an dritter Stelle, stehen Moral und Anstand des Einzelnen, allerdings nur wenn 1. und 2. noch Freiheiten dafür lassen. Dr. Schmidts Schlussplädoyer war: „Moralvorstellungen einzelner Mitarbeiter und Moralvorstellungen einzelner Unternehmen taugen nicht dazu, ein funktionsfähiges Wirtschaftsleben sicherzustellen – nicht allein!“
Die rege Diskussion mit dem Publikum wurde im Anschluss noch beim Buffet von „Mainfood“ fortgesetzt, die Gelegenheit zum Networking genutzt. Das Saxophontrio „mainSax“ trug zur musikalischen Unterhaltung bei.
Die Positionen der Referenten, Initiatoren und Diskurs-Teilnehmer sowie weiterer Experten werden im neuen HLP Booklet „Verantwortung – Moral oder Compliance“ nachzulesen sein.

v.l.n.r. Gerd Söpper, Dr. Helmut Geiselhart, Herbert Zub, Dr. Martin Schmidt, Matthias Hirzel |